Future Ballet
Wayne McGregor zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Choreografen. 2018 ist der Brite erstmals mit einem Programm in München zu Gast.
Einige seiner ersten Arbeiten zeigte Wayne McGregor in Technoclubs. Heute lebt er nach dem Motto: „Keine Drogen, keine Partys, kein Alkohol.“ Optisch wirkt er noch immer wie der „Rockstar des Balletts“, als den ihn ein Kritiker der Welt einmal bezeichnete. Möglicherweise ist der Brite der einzige weltberühmte Choreograf, der Hoodie und Sneaker trägt.
Geboren 1970 in Stockport, einer Stadt unweit von Manchester, ist Wayne seit seiner Kindheit von Tanz fasziniert, nicht nur, aber auch dank John Travoltas Auftritt in „Saturday Night Fever“. Anstatt eine Karriere im klassischen Ballett anzustreben, entschied sich der Brite nach seinem Choreografie- und Semiotikstudium für zeitgenössischen Tanz. Bereits mit 22 Jahren gründete er seine eigene Tanzgruppe Random Dance, aus der das Studio Wayne McGregor hervorging. „Das Erbe des klassischen Balletts halte ich für ausgesprochen wichtig“, versichert er. „Trotzdem finde ich nichts erfrischender, als in Echtzeit mit Tänzern eine Choreografie zu erarbeiten.“Die vielen Leben des Wayne McGregor: Er trägt den offiziellen Titel „Commander of the Order of the British Empire“, ist Professor für Choreografie am Trinity Laban Conservatoire of Music and Dance und Forschungsmitglied an der kognitionswissenschaftlichen Fakultät der Universität Cambridge. Als erster Vertreter von zeitgenössischem Tanz übernahm er 2006 einen Posten als Haus-Choreograf am Royal Ballett London. An einem Ort, an dem bislang fast ausschließlich klassisches Ballett zu sehen war, feierten plötzlich Stücke über die Schriftstellerin Virginia Woolf Premiere, begleitet von der Musik Max Richters.
Überhaupt schlägt Waynes Herz für elektronische Musik, was angesichts seiner Rave-Sozialisation nicht weiter verwundert. So gestaltete er beispielsweise Videos von Radiohead und den Chemical Brothers und arbeitete mit John Hopkins, den White Stripes und Jamie XX zusammen. Dabei gilt das Interesse des 47-Jährigen praktisch allem, was man so unter Zeitgeist versteht. Von bildender Kunst (Kollaborationen mit Olafur Eliasson), Mode (er choreografierte eine Modenschau von Gareth Pugh) über Film (Choreografien für „Harry Potter“), Anthropologie bis hin zu Technik und neuen Medien. Als einer der ersten Choreografen zeigte er seine Arbeit im Internet, zuletzt arbeitete er mit Drohnen und mit seinem von Wissenschaftlern entschlüsselten Erbgut.
2018 ist Wayne erstmals in München zu Gast. „Portrait McGregor“ lautet der Titel des dreiteiligen Abends, der die nächste Ausgabe der jährlich stattfindenden Ballettfestwoche eröffnet. Während der Proben zeigt sich der Brite gut gelaunt, freut sich auf die Zusammenarbeit mit den Tänzern, die er seine „Co-Autoren“ nennt. Austragungsort ist das Bayerische Staatsballett, das zur renommierten Bayerischen Staatsoper gehört. Gegründet wurde es 1988 als Kompanie von der mittlerweile verstorbenen Tänzerin Konstanze Vernon. 2016 übernahm Igor Zelensky die Ballettdirektion. Heute zählt das Ballett-ensemble zu den ersten Europas.
Zwei Teile von „Portrait McGregor“ waren bereits andernorts zu sehen – „Borderlands“ 2013 in San Francisco und ein Jahr später in Zürich „Kairos“, das sich an Max Richters Neuinterpretation von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ orientiert – ein Teil wird eigens für die Bayerische Staatsoper entwickelt. Deren Direktor Igor Zelensky zeigt sich begeistert: „Wayne McGregor gehört zu den Besten seines Fachs. Für die Tänzer ist es eine großartige Gelegenheit, mit lebenden Choreografen zu arbeiten, wenn etwas passend zu ihren je eigenen Körpern geschaffen wird.“Freie Szene, großes Haus, Kooperationen mit dem Who is Who der Gegenwartskultur: Fit hält sich der nimmermüde Wayne übrigens einerseits durch vegane Ernährung, andererseits durch Spaziergänge mit seinen beiden Windhunden – und Tanz, wenn auch nicht beruflich, so doch allein zu Hause. In einem Interview gestand der 47-Jährige einmal, dass er sich nur dann alt fühle, wenn er „eines dieser Onlineformulare ausfüllen muss, bei denen es ewig dauert, bis man zu ‚1970‘ gescrollt ist“.
Die Ballettfestwoche findet vom 14. bis 22. April 2018 statt. Mehr Informationen zum Programm des Bayerischen Staatsballetts gibt es auf der Website der Bayerischen Staatsoper staatsoper.de