Style Tracks

Louis Philippe de Gagoue entzieht sich und seine Arbeit gern dem Schubladendenken – das macht den Fotografen und Stilvorbild, der zwischen der Elfenbeinküste und Paris lebt, so erfolgreich.

Louis Philippe de Gagoue macht Modebilder voller Schönheit – und ist dabei immer selbst der Schönste. Das sieht, wer sich durch seine Profile auf den sozialen Medien klickt. Louis in einer braunen Lederhose mit royalblauem Kummerbund in Rom. Louis in einem kamelfarbenen, asymmetrisch geschnittenen Anzug in Casablanca. Louis in einer schwarzen Kombination mit einem alarmroten Gürtel virtuos um die Taille geschlungen in Paris. Vergangene Dekaden, fremde Kulturen, Literatur und Film, alles kann Louis inspirieren. „Die wichtigste Quelle aber ist die Studie des eigenen Inneren“, sagt er.

1991 wird Louis an der Elfenbeinküste geboren, das Land seines Vaters, die Mutter stammt aus Kamerun. „Wenn ich als Kind die Fotoalben meiner Familie durchblätterte, fiel mir auf, wie gut gekleidet meine Familie immer war. Mein Vater, meine Mutter, meine Tanten sahen so schick und elegant aus, sehr gut gekleidet mit wunderschönen Roben, Hüten, Handschuhen. Mein Vater war so ein Dandy”, sagt er mit butterweichem Akzent. „Da dachte ich, so ein Leben will ich später auch haben. Schöne Dinge sehen, lächeln, Partys, Champagner trinken, die Welt bereisen, Menschen von überall her kennenlernen.“ Also hat es angefangen, das mit der Mode, die Faszination für den Menschen und seine Kleider. Heute lebt Louis zwischen der Elfenbeinküste und Paris, wo ihn mit Artsphere eine renommierte Agentur vertritt.

Als Fotografen? Nicht ganz. Eher als Künstler betrachtet sich Louis, der für avantgardistische Independent-Magazine oder internationale Ausgaben bekannter Zeitschriften wie Vogue das Modebild von der Idee über das Styling bis hin zur Technik begleitet. Bei so gut wie allen seinen Arbeiten übernimmt er beide Rollen, die des Fotografen und die des Stylisten. Zitate auf seine afrikanische Heimat, Referenzen an den europäischen Schick, Visionen einer modischen Zukunft verschwimmen zu einer prägnanten Ästhetik, die Themen der Kultur und Kulturen um eine hypermoderne Bildsprache ergänzt.

Afrofuturismus? „In einem modernen Kontext fühle ich mich nicht als Teil diesr Bewegung. Ich bin stolz, Afrikaner zu sein, ein Sohn dieses schönen Landes, aber ich will nicht mit dieser Bewegung in Verbindung gebracht werden, denn meine Inspiration kommt nicht nur vom afrikanischen Kontinent. Ich kann Schönheit in ganz verschiedenen Kulturen dieser Erde finden“, sagt Louis. Die kulturelle Bewegung, die künstlerische Positionen – von Science-Fiction bis Fantasy, von historischem Roman bis Realismus – mit Lebensrealität und Lebensplänen der afrikanischen Diaspora koppelt und seit den späten 1990er-Jahren unter dem Begriff „Afrofuturismus“ firmiert, empfindet Louis für sich als reduzierend. „Ich sehe mich eher als Weltbürger“, sagt er. Respekt vor dem aktuell besonders in der Mode gefragten politischen Genre, das von der Literatur über die Malerei bis zum Film alle Praktiken der Kunst umfassen kann, habe er allemal. Genau wie vor dem Sapeur, noch einer Bewegung, die ihren Ursprung auf dem afrikanischen Kontinent hat.

Seit den frühen 1920er-Jahren kleiden sich die Sapeurs – in deutlichem Widerspruch zu ihren teils prekären Lebensumständen – ausgesprochen exaltiert, elegant und schick. Ab den 1960er-Jahren entwickelte sich aus der modischen Spielerei ein politisches Statement, das die Dogmen der nachkolonialen Zeit gleichermaßen bestimmt wie ironisch beantwortet. „Ich empfinde großen Respekt für die Sapeurs, die riskieren was“, sagt Louis. „Wir leben schließlich in einer Gesellschaft, in der die Menschen sehr gleichgeschaltet und kommerziell sind.“ Eine tiefere Verbindung zu Motiv und Mode des Sapeurs aber empfinde er nicht. „Ich bin nur ich selbst, alles andere sind Labels“, sagt Louis. „Und Labels sind dazu da, um von anderen Menschen eingeordnet zu werden. Ich lasse mich aber nicht kategorisieren, ich bin einfach ein freier Vogel.“

Tatsächlich lebe er in einer Blase, in die er auch die Betrachter seiner Bilder einladen will. „Für ihn ist Fotografie eine Form der Utopie – eine Flucht vor unserer alltäglichen Welt, die von Krieg und Konflikt verschlungen wird“, steht auf Louis’ Website. Dem Diesseits will der Fotograf seine Rezipienten also lieber entheben. „Ich habe eine selektive Wahrnehmung und auch eine selektive Erinnerung“, sagt Louis und lacht. „Wenn mich etwas interessiert, dann sauge ich es auf. Wenn mich etwas nicht interessiert, dann verschließe ich die Augen davor.“ Was um ihn herum passiert, das weiß Louis trotzdem nur zu gut. Seit Jahren wird darüber diskutiert, dass Afrika in der eurozentrisch ausgerichteten Modebranche unterrepräsentiert ist – das beinhaltet Models genauso wie Designer, Fotografen und sonstige Akteure der Szene.

Langsam tut sich allerdings was. Designer wie der aus Kenia stammende Sam Jairo Omindo geben afrikanischen Modenschau-Formaten wie der Fashion Week im äthiopischen Addis Abeba oder dem International African Fashion Festival in Marokko Gewicht. Und das Label Super Yaya aus Louis’ Heimat, der Elfenbeinküste, siedelt seine überaus angesagte Streetwear irgendwo zwischen Afrofuturismus und der digitalaffinen Post-Internet-Art an. Und trotzdem: „Ich weiß natürlich, dass es noch immer viele engstirnige Menschen gibt – auch in der Mode“, sagt Louis. „Aber ich bin nicht gerne das Opfer. Ich sehe mich nie als Opfer und lasse mich auch nicht dazu machen. Ich bin einfach ein freier Vogel.“

COMPANION hat Louis deshalb auch eine Playlist gezwitschert, die sich genauso ungern in Schubladen stecken lässt wie er selbst.

 

→ louisphilippedegagoue.com

 

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