Der Schweizer Tausendsassa

Dieter Meier ist jemand, den man ohne Übertreibung als musikalische Legende bezeichnen kann. Mit der Band Yello wurde der Schweizer gemeinsam mit seinem Kollegen Boris Blank in den 80ern weltbekannt. Der Sound ihrer Hits wie „Oh Yeah“ und „The Race“? Neu und experimentell, elektronisch, ein wenig gaga und dank Dieters tiefer Stimme unter die Haut gehend. Bis heute treten Yello auf.

Die Musik ist dabei längst nicht Dieters einziger Ausdruck: Der Nobelmann und vermutlich best angezogene Rebell Zürichs, der sich seine Zeit eine Weile sogar als Berufspokerspieler verdingte, begann ab den späten 60ern, als Performance- und Konzeptkünstler zu arbeiten. 1972 nahm er an der Documenta 5 in Kassel teil. Auch als kreativer Unternehmer und Investor hat Dieter seine Finger überall mit im Spiel. Seine große Leidenschaft ist aber die Welt der Kulinarik und Natur und insofern seine Farm in Argentinien, wo er unter anderem Wein anbaut, Rinder züchtet und viel Zeit verbringt. Produkte aus seiner zweiten Heimat tischt er in seinen Restaurants auf — natürlich ist der Tausendsassa auch Gastronom. Gerade hat er außerdem eine Schokoladenmanufaktur hochgezogen. Irgendwo zwischen seinen vielen Projekten hat sich Dieter einen Moment Zeit genommen, COMPANION’s Questionnaire zu beantworten.


DIETER MEIERS WELT

Der Gastronom

Wer Zürich, Berlin oder Frankfurt besucht, sollte es sich nicht entgehen lassen, eines von Dieters Restaurantablegern "Ojo de Agua" zu besuchen, wo er unter anderem köstliches Rindfleisch aus eigener Zucht in Argentinien serviert. In Berlin betreibt er nun auch die "Torbar", wo die Stimmung immer ausgelassen ist.

Der Landwirt

Zufällig bald in Argentinien? Wunderbar — denn nirgendwo sonst kann man Dieters kulinarische Welt so hautnah erleben, wie bei den grasgefütterten Rindern oder in den Weinbergen in Mendoza, wo die Tore seines Bioweinguts auch für Besucher das ganze Jahr über für Besucher geöffnet sind. Natürlich gibt es auch ein Restaurant mit Blick über die beeindruckende Natur.

Der Winzer

Sie heißen Puro, Malo oder Ojo Negro und sind echte Champions: Die preisgekrönten Weine von Ojo de Agua, die natürlich nicht nur in Argentinien erhältlich sind, sondern auch bequem online bestellt werden können.

Der Chocolatier

Mit Oro de Cacao hat Dieter eine Schokolade auf den Markt gebracht, die dank moderner Techniken die traditionelle Kaltverarbeitung von ungerösteten Kakaobohnen, wie sie schon bei den Mayas üblich war, wieder aufnimmt. Zürich hat eine eigene Schokoladenboutique.

Der Designer

Natürlich ist Dieters Familie auch sehr kreativ! Mit enSoie führen seine Frau und seine Töchter ein nachhaltiges Modelabel mit verschiedenen Ablegern in Zürich. Von Zeit zu Zeit entwirft er Drucke für sie. EnSoie hat sogar ein Café.

Herr Meier, warum braucht der Mensch Musik?

Musik spielt im Unterbewusstsein. Eine Welt ohne Musik ist nicht denkbar.

Mit der Band Yello sind Sie weltberühmt geworden, daneben aber ein echter Tausendsassa: Sie züchten unter anderem Rinder in Argentinien und bauen Wein an, betreiben mit Ojo de Agua eigene Restaurants in verschiedenen Städten. Gibt es in Ihren Augen Parallelen zwischen der Gastronomie und der Musik?

Alles muss klingen und authentisch sein.

Wie klingt eigentlich eine gute Mahlzeit?

Eine gute Mahlzeit klingt nach Natur. Ich bin kein Freund des grossen Würzens. Eine Karotte oder eine Kartoffel al dente gekocht zeigt ihre Aromen, wie die Natur sie ihr gegeben hat.

In Berlin haben Sie vergangenes Jahr zusätzlich die Torbar eröffnet. Was schätzen Sie an der deutschen Hauptstadt? Und an Ihrer Heimat Zürich?

Berlin ist die offenste Stadt Europas mit einem inspirierenden kosmopolitischen Flair. Standesdünkel ist verpönt. Zürich erfreut mich „à la recherche du temps perdu“. Wenn ich durch die Stadt gehe, bin ich in Stimmungen meiner Kindheit zurück katapultiert. 

Mit Oro de Cacao machen Sie jetzt auch Schokolade. Wie sind Sie dazu gekommen? 

Ein Professor für Aromaforschung hat mir seine Kaltextraktionsmethode vorgeführt und ich war sofort begeistert. Die Aromen gehen nicht in den Kamin wie bei den Hitzetorturen der herkömmlichen Methode, sondern in die Schokolade.

Erklären Sie bitte den geschmacklichen Unterschied.

Die herkömmliche Schokolade ist eine Zuckerbombe mit zugefügten Fremdaromen, die dunkle meist viel zu bitter. Wir produzieren eine dunkle 85% Kakao Schokolade ohne Bitterkeit, so dass endlich die ganze Komplexität der Aromen der Kakaobohnen voll zur Geltung kommen.

Ihr liebstes Rezept mit Schokolade?

Und Ihre liebste Sorte in der Library?Peru, Bolivien, Kuba und Guatemala sind meine Favoriten. Ein Schokoladenkuchen oder eine Mousse au Chocolat verzaubern den Gaumen. 

Wie hat der Markt die Schokolade bislang angenommen? 

Sehr gut, wir haben für unsere Milchschokolade am wichtigsten Chocolate Summit in San Francisco eine Goldmedaille gewonnen.

Es heißt, sie hätten rund 28 Millionen Franken in ihre neue Schokoladenfabrik investiert. Ist der Erfolg bei so einem unternehmerischen Projekt berechenbarer als etwa bei der Kunstproduktion?

Kunst ist das Finden seiner selbst, eine Schokolade muss die Konsumenten begeistern.

Brauchen Sie bei all den unternehmerischen Projekten noch die Kunst?

Auf jeden Fall. Sobald die Fabrik in Betrieb ist, werde ich endlich mal wieder die Ruhe haben, einen Spielfilm vorzubereiten.

Woher kommt eigentlich Ihre Leidenschaft für Rinderzucht, für Weinanbau und Schokolade?

Ich versuche dem, was die Natur uns bietet, gerecht zu werden. 

Muss man von diesen Dingen etwas verstehen, um darin erfolgreich zu sein? Und von Musik?

Für meine Industrie- und Landwirtschaftsprojekte vertraue ich Experten, die mittlerweile alle auch Freunde sind. Die Musik ist wie vieles in meinem Leben ein Zufall. Ich habe meine sogenannten Experimentalfilme im Kino vor der Leinwand mit verschiedensten Klängen und meiner Stimme live vertont, das war sehr anarchisch und hat mich zu meiner Überraschung zur Musik geführt. 

Alles, was Sie anfassen, wird erfolgreich, so scheint es. Treibt Sie das an?

Selbstverständlich war vieles, was ich machte, kommerziell ein totaler Flop. Aber niemand konnte mir die Erfahrung wegnehmen, dank Flops habe ich mich besser kennengelernt. Von Flops lernt man mehr als von Erfolgen.

Dieter Meier, das ist auch eine Marke. Wie würden Sie Ihren USP beschreiben?

Als „non practicing atheist“ versuche ich einen Rat des Wanderpredigers aus Nazareth zu befolgen, der da heisst: „Werdet wie die Kinder.“

Was fehlt Ihnen noch im Kosmos Dieter Meier?

Die Dinge kommen irgendwie auf mich zu, es scheint, als würde sich ein Spielfilm konkretisieren.

Ihre Familie ist ebenfalls kreativ. Ihre Frau betreibt mit Ihren Töchtern das nachhaltige Label En Soie. Arbeiten Sie manchmal zusammen? 

Tatsächlich entwerfe ich manchmal ein Seidentuch, völlig verantwortungslos, anarchisch und getragen von rasender Unbedeutung.

Als „Adligen der Postmoderne“ beschrieb Sie eine deutsche Zeitung. Wie sehen Sie sich selbst?

Als sich wunderndes Kind, auf der lebenslangen Suche nach sich selbst.

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