Artist in Residence - Louis Schmidt

Das künstlerische Herz des 25hours Hotel Zürich Langstrasse ist das Hotel Atelier im Erdgeschoss. Es ist ein Arbeitsraum für internationale und nationale Kunstschaffende, die vor Ort für ihre Ausstellungen, Präsentationen oder Kollaborationen produzieren und vorbereiten.

Louis Schmidt war im Juni 2018 für drei Wochen im Hotelatelier zu Gast. Er lebt seit rund zehn Jahren in L.A., Kalifornien. Den weiten Weg ins Hotelatelier des 25hours Hotel Langstrasse hat er über Umwege gefunden. Er war schon öfter in der Schweiz, unter anderem um einen früheren Schulfreund, Rich Bott, zu besuchen. Über ihn lernte er Esther Eppstein kennen, die das Hotelatelier in Zürich kuratiert. Rich Bott war 2017 selbst zu Gast im Hotelatelier, erzählte Louis alles über das Projekt und zeigte ihm das Hotel. Louis war sofort begeistert von der Möglichkeit, dort zu arbeiten. Als feststand, dass er bei der Art Basel arbeiten und auf  der I Never Read Art Book Fair ausstellen würde, wurde er von Esther als Artist in Residence ins Hotelatelier eingeladen. Dort arbeitet er nun für drei Wochen.

In L.A. ist Louis künstlerische Arbeit oft strukturiert durch äußere Umstände. Er arbeitet zum Beispiel als Freelancer im Museum. Das sind dann „normale Arbeitstage“ von 9 – 17h. An diesen Tagen kommt er erst abends dazu, in seinem Studio zu arbeiten – von 20/21h bis nachts. Wenn Ausstellungen anstehen, kann die Studio-Arbeit auch noch länger dauern. Er nimmt an drei bis vier Art Book Fairs im Jahr teil und stellt seine Arbeiten regelmäßig aus. Eine solche Ausstellung vorzubereiten bedeutet für ihn, gezielt darauf hinzuarbeiten, intensiv und mit Plan. Es gibt eine klare Idee und Struktur für diesen Prozess. Manchmal wird diese Arbeit sogar etwas uninteressant, da er genau weiß, was passiert und was er macht. Zuvor muss jede Idee bis zu einem bestimmten Punkt ausgereift sein, bevor er an die Arbeit geht. Der wirklich spannende Part, ist diese Idee zu finden und auszuarbeiten. Das ist manchmal sogar spannender, als die eigentliche, darauffolgende Arbeit.

Solange es keine Ausstellung gibt, für die er etwas produzieren muss, arbeitet er im Studio möglichst frei. Er achtet sehr darauf, dass diese Freiheit bestehen bleibt: Als Freelancer nimmt er sich die Zeit, die er für sich braucht. Auf einen Monat Arbeit folgt nach Möglichkeit gerne ein „freier“ Monat mit Studio-Arbeiten.  Die Wochen, in denen er weder eine Ausstellung in L.A. vorbereiten muss noch im Museum arbeitet, nutzt er zusätzlich für Reisen, oft auch in Verbindung mit Jobs. Er arbeitet oft im Ausland bei verschiedenen Ausstellungen, zum Beispiel in Hongkong oder Tokyo, und nutzt diese Arbeitsreisen als Startpunkt für neue Entdeckungen.

Am liebsten macht er sich zu Fuß auf den Weg. Man „verläuft“ sich, im positiven Sinne und gelangt an Orte, die man sonst nicht gefunden hätte. In Tokyo ist er jeden Tag einfach drauflosgelaufen: Dabei hat er sich eine Richtung gesucht und folgte ihr, solange es ging. 12km in den Norden. Oder 7 km in den Osten. Bis es Dunkel wurde. Zu Fuß unterwegs zu sein, ist für ihn die schönste Möglichkeit für seine Entdeckungstouren, da er problemlos stehen bleiben, etwas genauer angucken und den Moment genießen kann. Um eine Pause zu machen, um sich seinen Kunstwerken zu widmen.

Louis zeichnet oder fotografiert eigentlich immer. Beides ist sozusagen zu seiner Art geworden, Tagebuch zu führen. Auf diese Weise hält er Momente und Gedanken fest. Das hat zunehmend auch Auswirkungen auf seine Reisen. Er sucht – bewusst oder unbewusst – nach bestimmten Motiven. Zum Beispiel nach Treppen: Er hat schon etliche Fotos von Menschen auf Treppen gemacht und daraus kleine Serien erstellt, aus Tokyo, L.A., New York, Hongkong und Mexico City. In gewisser Weise ist das auch eine Einschränkung. Vor zehn Jahren, als er mit der Fotografie angefangen hat, ist er noch freier unterwegs gewesen, hat andere Momente aufgenommen, die interessant sind. Heute sucht er nach den besonderen Momenten, die sein Ding sind.

Sein Ding? Eigentlich möchte er sich nicht einschränken, aber er hat definitiv seine Themen: Richtungen tauchen immer wieder in seinen Kunstwerken auf. Wie zum Beispiel die Treppen, die aus verschiedenen Perspektiven fotogarfiert oder gezeichnet sind.  Alles dreht sich ums Auf- und Absteigen. „Aufwärts“ ist eine Richtung, die seiner Beobachtung nach im menschlichen Leben immer wieder auftaucht, es ist die Richtung des Lebenswegs, wie eine Leiter, die emporgeklettert wird. Er beobachtet solche Muster im menschlichen Verhalten, Denken und den Bewegungen. Mit seinen Kunstwerken kommentiert er diese und übt Kritik an Gesellschaften, die auf Hierarchien ausgerichtet sind, wie im religiösen Glauben, Sozialen Leitern und anderem.

Oft greift er Gespräche auf, die er in seinen Bildern wiedergibt. Was er hört, beeinflusst seine Kunst. Die Wörter und Sätze fliegen eine Weile in seinem Kopf herum, bevor etwas daraus wird, das er verwendet. Oder ein Satz hängt in seinem Kopf fest und er arbeitet „rückwärts“: Der Satz wird zu einem Kunstwerk. Wörter sind, so sagt er selbst, der wichtigste Part in seiner Arbeit. Bevor er überhaupt anfing, zu malen oder zu fotografieren, hat er Gedichte und Geschichten geschrieben. Als er angefangen hat, Kunst zu visualisieren, haben auch Wörter eine Stimme bekommen und wurden ein Teil davon, nicht zuletzt als Namen für Ausstellungen und Kunstwerke, sondern auch in den Bildern selbst.

Da er sich eigentlich immer im Schaffungsprozess befindet, hat er unglaublich viele Kunstwerke. In der vergangenen Woche im Hotelatelier in Zürich hat er schon mehr als 100 Bilder gemalt und 500 Fotografien gemacht. In Japan, so berichtet er, hat er in zwei Wochen allein 15.000 Fotos gemacht. Daraus sind drei Kunstbücher mit je 25 Bildern entstanden. Alles andere landet auf einer externen Festplatte. Grob geschätzt sind darauf mehrere Hunderttausend Bilder aus 15 Jahren Fotografie. Der härteste Teil der Arbeit ist, sich vor den Laptop zu setzen und sich stundenlang durch die Bilder zu wühlen, eine Auswahl zu treffen und die Bilder zu bearbeiten. Da merkt man, was für ein Chaos man angerichtet hat. Es ist ein Lernprozess: Man fragt sich, warum man so viele Bilder gemacht hat, und warum genau von einem wiederkehrenden Motiv. Wie die Menschen, die die Treppen hoch- und runterlaufen. Aber: Nach über 10 Jahren erkennt er sich und seine Kunst. Er entdeckt, was er macht und warum.

Es kommt auch vor, dass ein Werk nicht fertig wird. Weil es sich nicht in die angedachte Richtung entwickelt, oder weil es einfach mal nicht funktioniert. Sie werden weggeschmissen. Manchmal passiert es aber auch, dass man anfängt und an einer ganz anderen Stelle rauskommt, als eigentlich geplant. Das ist für ihn ein sehr spannender Prozess. Er hat Kunst studiert, zwei Bachelor Abschlüsse in Kunstgeschichte und Studio Art an der CU Boulder, ebenso einen Master in Studio Art an der UC San Diego. Er arbeitet für Ausstellungen und all seine Freunde sind Künstler. Man kennt alles und hat alles gesehen. Aber wenn so etwas Neues passiert, etwas Unerwartetes, wird es spannend. Im Hotelatelier ist das neulich auch passiert: Er hat mit goldenen Stiften auf schwarzem Karton gemalt. Goldene Farbe nutzt er normalerweise nicht, das war also schon etwas Neues. Als ein kleiner Fussel auf der Farbe gelandet ist, hat er vorsichtig versucht, ihn zu entfernen und dabei etwas Farbe abgekratzt. Das Schwarz des Kartons kam durch. Ihm gefiel die Idee sozusagen rückwärts zu malen, indem er die Farbe wegnimmt. So hat er etwas Neues geschaffen, unabsichtlich, ungeplant, aus Versehen und über Umwege. Manchmal findet man auf dem Weg eben Dinge, von denen man nicht wusste, dass man sie finden wird und sie sind einfach spitze. So, wie sein Aufenthalt im Hotelatelier.

Mehr Infos über Louis: http://bridgethevoid.blogspot.com/

Das künstlerische Herz des 25hours Hotel Zürich Langstrasse ist das Hotel Atelier im Erdgeschoss. Es ist ein Arbeitsraum für internationale und nationale Kunstschaffende, die vor Ort für ihre Ausstellungen, Präsentationen oder Kollaborationen produzieren und vorbereiten. 12 bis 14 Wochen pro Jahr ist das Atelier im Hotel von Gastkünstlern belegt. Der Aufenthalt dauert von einer bis zu vier Wochen. Jeder Künstler hinterlässt dem Hotel am Ende seines Aufenthalts eines seiner Kunstwerke. Die Kunstsammlung kann im Hotel kostenfrei besucht werden. Das Atelier wird kuratiert und organisiert von Esther Eppstein, Künstlerin und Kuratorin aus Zürich.

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